Als ich 1990 als Pastoralreferent im Bistum Trier angestellt wurde, hatte ich große Vorbehalte gegenüber der sich machtvoll inszenierenden klerikalen Kirche: frauenfeindlich, ignorant, herrschaftsbewusst, bigott, … .
Diese Vorbehalte bin ich nie losgeworden. Zum Glück hatte ich Alternativen dazu in meinem Rucksack:
- Eine basisdemokratisch-linke Weltsicht, vermittelt u.a. durch die katholischen Jugendverbände. Inspirierende Gefährt*innen, darunter kluge und mutige Kolleg*innen.
- Theolog*innen wie Karl Rahner, Elisabeth Schüssler-Fiorenza und M.-Dominique Chenu.
- Die Befreiungs-, politische- und feministische Theologie,
- die kulturoffene und interreligiöse Tübinger Theologie sowie die Konzilsdeuter der Unis in Würzburg und Salzburg.
Hinzu kommt die Erfahrung einer widerständigen Mystik, die in die eigenen und gesellschaftlichen Konflikt- und Ohnmachtsgebiete hineinführt. Sie öffnet den Blick für das Zerbrechliche – innen wie außen – und nährt eine fragile Hoffnung auf Humanität gegen alle Ohnmacht. Diese Gepäckstücke haben mich in Freude im Beruf gehalten; sie haben mich darin unterstützt, die kaum überbrückbaren Differenzen zur realen Kirche in Widerstandskraft zu transformieren.
Die Enthüllungen sexualisierter Gewalt durch Priester und deren Vertuschung durch Trierer Bischöfe, das nicht Aufgreifen dieses Skandals während der Bistumssynode, der anhaltend unwürdige Umgang mit Betroffenen durch die Bistumsverantwortlichen, das Schweigen der Gläubigen in den pastoralen Räumen machen die hässlichste Seite der „Kirche meines Vorbehalts“ offenbar. Die hierarchisch-klerikale Kirche hat keine Zukunft verdient. Sie gilt es zu dekonstruieren, denn sie setzt die Existenz des Glaubens, d.h. das Vertrauen in das Leben und die Erinnerung an die Präsenz Gottes aufs Spiel.
Der Weg ins Offene öffnet den Blick in unbekanntes Terrain und auf die Neuentdeckung der befreienden Traditionen des Christentums. Verbünden wir uns mit den „Armen und Bedrängten aller Art“, suchen wir in den Wissens- und Erfahrungs-Archiven der Schöpfungs- und kontextuellen Theologien und der Humanwissenschaften, entdecken wir die Mystik. Feiern wir das Leben, bleiben wir selbstkritisch und heiter!