Um eine Aussage über das Ehrenamt in der Kirche machen zu können, empfiehlt es sich, auf den gesellschaftlichen Wandel insgesamt zu schauen. In dem Maße, in dem die Menschen in den westlichen Gesellschaften ihren persönlichen, familiären und beruflichen Lebensentwurf selbst bestimmen können und auch müssen, werden Biografi en individueller und die Bindung an Institutionen und Organisationen lockert sich. Dies ist kein kircheninternes Phänomen, sondern ein gesellschaftliches Zeitzeichen. Doch selbst wenn die Bindungsintensität gegenüber Kirchen, politischen Parteien, Vereinen und Verbänden zurückgeht, lässt sich daraus nicht der Schluss ziehen, dass die Menschen sich heute nicht mehr für das Allgemeinwohl engagieren wollen.
In einer repräsentativen Trenderhebung zu Ehrenamt, Freiwilligenarbeit und bürgerschaftlichem Engagement (Freiwilligensurvey 2009) hat die Bundesregierung festgestellt, dass die Anzahl der Engagierten auf hohem Niveau stabil geblieben ist. 36% der bundesdeutschen Bevölkerung ist ehrenamtlich engagiert. Darüber hinaus steigt die Zahl derer, die ein Interesse an ehrenamtlichem Engagement haben.
Es ist also nicht so, dass das ehrenamtliche Engagement abnimmt; allerdings wird es zunehmend schwerer, Menschen für die bisher üblichen Formen des Ehrenamts in Kirche und Gesellschaft zu gewinnen. Denn die Gestalt ehrenamtlicher Betätigung unterliegt einer tiefgreifenden Veränderung. Die bisher auf langfristige Bindung angelegte Mitwirkung in kirchlichen Gremien und gemeindlichen Tätigkeitsfeldern wird abgelöst durch ein zeitlich befristetes Interesse. Das Engagement hat seinen Grund zunehmend weniger in einer starken Bindung an die Organisation Kirche, sondern ist eher geleitet durch die Motivation in einer bestimmten Sache, in einem konkreten Anliegen oder in einer besonderen Lebenssituation. In gleichem Maße findet man immer weniger den Typus des „dienstbaren Geistes“, der sich widerspruchslos und unter oft widrigen Umständen einsetzen lässt.
Wer sich heute ehrenamtlich engagiert, möchte gerne wissen: Was bringt mir die Tätigkeit in Sachen Persönlichkeits- und Kompetenzentwicklung? Er oder sie möchte eine Ansprechperson haben, die fragt: „Was brauchen Sie, um Ihre Aufgabe
gut tun zu können?“
Neben zeitlich überschaubaren Projekten wünschen sich die Menschen vor allem gute Rahmenbedingungen, die es ihnen ermöglichen, ihre Begabungen einzubringen und weiterzuentwickeln.
Darüber hinaus sind ihnen Unterstützung und Wertschätzung von Seiten der Hauptamtlichen sowie ehrenamtlich Engagierten in verantwortlichen Positionen wichtig, ebenso die Teilhabe an Entscheidungen.