Adveniat-Gäste im Bistum Trier
Junge Leute haben es nicht einfach in El Salvador. Der im Februar 2024 wiedergewählte Präsident Nayib Bukele hat einen Krieg gegen die Jugendbanden ausgerufen. Über 60.000 Menschen hat die Polizei seither festgenommen. Oft nur, weil sie tätowiert waren oder im falschen Moment am falschen Ort. Hauptsächlich trifft es junge Menschen aus einfachen Verhältnissen, die unter Generalverdacht stehen. Sind sie einmal hinter Gittern, haben sie kaum eine Chance. Denn seit 2022 herrscht Ausnahmezustand. Gerichte urteilen im Schnellverfahren, oft über 100 Gefangene auf einmal, ohne Einzelfallprüfung, ohne Anhörung von Anwälten. Niemand, nicht einmal die Familie, darf die Häftlinge besuchen.
Angst ist deshalb der ständige Begleiter der Jugend. Manuel Morán, der Leiter der Caritas von Santa Ana, versucht sie zu vertreiben. Denn Angst lähmt. Stattdessen appelliert er an die positive Energie der Jugendlichen.
Morán ist selbst ein Bauernsohn, seine Eltern konnten nicht lesen und schreiben. Er schaffte es dank Stipendien, Agronomie zu studieren. Als Landwirtschaftsexperte fing er bei der Caritas an, nun ist er ihr Direktor.
Die Caritas unterstützt junge Menschen im Studium mit 100 US-Dollar pro Monat. Finanziert wird das Programm von Adveniat. Begleitend finden monatliche Kurse statt, in denen Jugendliche lernen, wie sie mit ihren Emotionen konstruktiv umgehen, welche Rechte sie haben oder wie man nachhaltiger wirtschaftet – Themen, die sonst in den Lehrplänen keine Rolle spielen. Bei der Caritas hingegen werden solche Themen spielerisch vermittelt. Da werden Bäume gepflanzt und Yoga-Entspannungsübungen gemacht. Auch die Organisation wohltätiger Basare für Waisenkinder oder Gefangene gehört dazu – als Gebot der Nächstenliebe und um soziale Verantwortung zu übernehmen. „Uns geht es um ganzheitliche Bildung“, sagt Psychologin Silma Sandoval, die rechte Hand Moráns. „Wir wollen nicht nur exzellente Akademiker*innen, sondern gute Menschen ausbilden“, sagt die 46-jährige.
Viele Kurse gibt sie selbst. Doch auch außerhalb der Arbeitszeit ist sie immer erreichbar für die Jugendlichen – denn die Krisen auf dem Weg ins Erwachsenwerden tauchen rund um die Uhr auf. Und viele Jugendliche kommen aus zerrütteten Familienverhältnissen, haben keine Vertrauenspersonen und laufen Gefahr, an die falschen Ratgeber zu geraten. Die Psychologin schlüpft deshalb auch oft in eine Ersatz-Elternrolle, als Seelentrösterin oder Krisenmanagerin. Die jungen Leute schätzen ihre Geduld, Diskretion und Lebensweisheit. „Silma ist für mich eine Art Lieblingstante, mit der man alles besprechen kann“, sagt Lehramtsstudent Bryan Sánchez. „Sie hat immer gute Ratschläge.“
Morán und Sandoval glauben fest an die Rolle von Vorbildern. Doch daran mangelt es in El Salvador. Viele Eltern wurden im Bürgerkrieg (1980-1992) groß, wurden Opfer von Gewalt oder konnten selbst nicht zur Schule gehen und sehen höhere Bildung für ihre Kinder als unerreichbar an. Die Gesellschaft ist kaum durchlässig. Selbst exzellente Schülerinnen und Schüler bekommen oft aus wirtschaftlichen Gründen keine Chance zu studieren. Zu tausenden wandern sie deshalb ab, vor allem in die USA.
Die Stipendiat*innen hingegen wollen bleiben. Sie sehen eine Zukunft in El Salvador und wollen aktiv dazu beitragen, ein besseres Land zu gestalten, mit Chancen für alle. Morán und Sandoval sind glücklich. Das Pilotprojekt von Adveniat schickt sich an, ein großer Erfolg zu werden. Die Caritas hofft, dass in den kommenden Jahren bis zu 100 junge Salvadorianer*innen aus Santa Ana ihren Traum vom Studium erfüllen können.
Manuel Morán und Silma Sandoval sind am 6. und 7. Dezember im Bistum Trier zu Gast.