13.11.2022
Haushaltssicherung im Bistum Trier - Interview Generalvikar Ulrich Graf von Plettenberg mit dem “Paulinus”
Welche Reaktionen haben Sie auf die Veröffentlichung des Haushaltssicherung-Konzepts bekommen?
Zunächst einmal: Viele Bistümer in Deutschland stehen vor den gleichen Herausforderungen wie wir. Insofern tritt das Thema Kostensenkung nicht zum ersten Mal und nicht überraschend auf. Wir haben das Konzept zunächst intern bekannt gemacht und sind durchaus auf Verständnis gestoßen. Positiv wurde mehrfach zurückgemeldet, dass wir im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit, aber auch der karitativen Dienste nicht so stark reduzieren.
Darüber hinaus haben mich noch nicht so viele Reaktionen erreicht. Ich deute es mal so, dass wenig Unerwartetes gekommen ist. Aber sicher müssen wir auch so ehrlich sein und sagen, dass es noch nicht sehr viele Konkretionen gibt. Das Haushaltssicherungskonzept gibt eher Leitplanken und Grundlinien für die zukünftige Entwicklung unserer Ressourcen. Außerdem rechne ich damit, dass viele sich jetzt erst in Ruhe mit dem Konzept befassen werden, um zu schauen, inwieweit sie betroffen sind.
Die regionalen Medien haben das Thema natürlich auch aufgegriffen. Es ist ja nicht nur ein innerkirchliches Thema: Wir sind als Kirche Teil der Gesellschaft, und unsere Kostensenkungen bzw. Forderungen nach stärkeren Refinanzierungen haben Auswirkungen auf Kommunen und Länder.
Alles in allem: Die bisherigen Reaktionen empfinde ich als unaufgeregt und stark an der Sache orientiert.
Sie haben es gerade schon angesprochen: "Bistum gibt ein Drittel seiner Kirchen und Kapellen ab" - manches Medium hat so getitelt. Da gilt es sicher etwas zu differenzieren.... Aber klar ist: Das Thema Immobilien steht im Fokus. Wie wollen Sie hier vorgehen?
Die etwas über 1.800 Kirchen und Kapellen, die es im Bistum Trier gibt, sind im Besitz der Kirchengemeinden, nicht des Bistums! Das wird manchmal verwechselt. Allerdings gibt das Bistum finanzielle Mittel zur Bewirtschaftung und zum Bauunterhalt. Über die Steuerung dieser Zuschüsse hat das Bistum ein Instrument, wie viele kirchliche Immobilien weiter erhalten werden können.
Es stimmt: Wir werden nicht mehr alle Immobilien in Zukunft instand halten und bewirtschaften können. Da geht es nicht nur um Kirchen, sondern auch um Pfarrhäuser und Pfarrheime. Deshalb ist es wichtig, dass die Pfarreien sich in den kommenden Jahren Gedanken machen, welche Immobilien sie aus pastoraler Sicht benötigen und welche sie unterhalten können. Es geht um Gottesdienstorte; aber wir brauchen auch gute Örtlichkeiten für Versammlungen, Gremiensitzungen, Aktionen usw.. Da ist der Blick zu den Kommunen oder der evangelischen Kirche sinnvoll, um zu schauen, ob gemeinsame Nutzungen möglich sind. Im Saarland ist dazu unter dem Titel "Stärkung der Dorfgemeinschaft” in Zusammenarbeit mit dem Innenministerium und der evangelischen Kirche ein Handlungsleitfaden für die zukünftige Erhaltung, Umnutzung und Integration von kirchlichen Gebäuden entstanden, der im Internet abrufbar ist.
Von Seiten des Bistums sind wir in der Erstellung eines Immobilienkonzeptes, das die Rahmenbedingungen klärt. Dort wird dann u.a. festgelegt sein, in welchem Umfang und in welcher Höhe wir den Kirchengemeinden künftig Baukostenzuschüsse zur Verfügung stellen können.
Das Bistum wird im Verhältnis gesehen weniger im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit sparen - warum?
Wir sind stark im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit, das hat sich zuletzt auch in der Pandemie gezeigt. Und es ist selbstverständlich, dass wir uns hier weiterhin verstärkt engagieren. Mit unseren Kitas, mit den katholischen Schulen, mit den offenen Jugendeinrichtungen sind wir als Kirche in diesem Bereich eine geschätzte Partnerin von Ländern und Kommunen. Dies sind ja nicht nur Angebote für Katholik*innen - es ist Teil unseres Beitrags für die Gesellschaft. Deswegen ist es uns auch so wichtig, trotz der nötigen Kostensenkungen die Orte von Kirche zu stärken, wo Menschen zusammenkommen und auf ganz unterschiedliche Art und Weise Glauben und Leben teilen. Dazu gehören auch unsere Angebote im Bereich der Beratung oder der Zuschuss für die Caritas: Wenn wir diakonische, also dienstbereite Kirche sein wollen, müssen wir natürlich auch bei den bedürftigen Menschen präsent sein.
In den Bereichen Schule, Kita und soziale Einrichtungen ist immer wieder von "Refinanzierung" die Rede. Das bedeutet ja, dass womöglich schwierige Verhandlungen mit der öffentlichen Hand anstehen. Was passiert, wenn es nicht zu Einigungen kommt? Wird es im schlimmsten Fall Schließungen einzelner Einrichtungen geben?
Zunächst bin ich dankbar für die sehr gute und konstruktive Zusammenarbeit mit den Kommunen und Ländern in weiten Teilen unseres Bistums. Da ist etwas davon spürbar, dass wir gemeinsam auf das Wohl der Menschen schauen. Daher ist es Bischof Stephan auch ein Anliegen, Landräte und Oberbürgermeister in unserem Bistum zeitnah und persönlich zu informieren. Mit den Ländern, insbesondere mit den Bildungsministerien, sind wir schon in Gesprächen bzw. in Terminvereinbarungen.
Uns ist bewusst, dass auch Länder und Kommunen sehr sorgsam mit dem Geld umgehen müssen. Andererseits erfüllen wir etwa mit unseren Kitas oder auch Schulen Aufgaben, für die das Land oder die Kommunen verantwortlich sind. Nach meinen Erfahrungen aus Gesprächen mit den Bildungsministerinnen ist eine Trägervielfalt in diesen Bereichen gewünscht. Wir tragen als Kirche dazu bei.
Auf dieser Basis rechne ich zwar nicht mit leichten Gesprächen, aber am Ende mit für alle Seiten guten Ergebnissen.
Auf die Pfarreien kommen kräftige Einsparungen zu. Wie werden Sie die dort Verantwortlichen dabei unterstützen, künftig mit weniger Geld auszukommen?
Es ist richtig, dass die Pfarreien künftig mit weniger Mitteln auskommen werden müssen. Das liegt auch daran, dass sich die Orte, wo Menschen Kirche leben und erleben, verändern. Für manche ist dieser Ort nach wie vor die Pfarrei, für andere sind es die schon erwähnten Orte von Kirche. Daher ist es folgerichtig, dass auch in den Pfarreien gespart werden muss. Es wird in den kommenden Jahren viel darum gehen, Schwerpunkte zu setzen und sozialraumorientierte, also an den Bedürfnissen der Menschen orientierte Angebote zu machen. Bei dieser Schwerpunktsetzung will das Rahmenleitbild für die Pfarrei und den Pastoralen Raum helfen.
Das Generalvikariat ist hier Unterstützungs- und Dienstleistungsbehörde. Aber auch die Pastoralen Räume werden helfen, die vorhandenen Ressourcen sinnvoll einzusetzen.
Und nicht zuletzt sind die Pfarreien ja gerade in einer Phase der Zusammenschlüsse - auch das ist letztlich eine Maßnahme, etwa Verwaltungsstrukturen zu verschlanken, aber auch die Gremienarbeit wieder so attraktiv zu machen, dass Menschen Lust haben, sich zu engagieren.
Auch das BGV soll verschlankt werden - war der Apparat in der Vergangenheit “aufgebläht”?
Es ist richtig, dass das Generalvikariat in den vergangenen Jahrzehnten immer weiter gewachsen ist. Das lag aber auch an der zunehmenden Zahl an Aufgaben. Vieles, was hier geleistet wird, ist nicht unbedingt sichtbar, aber dringlich oder aufgrund von Gesetzesvorgaben notwendig. Als Beispiele kann ich da den Datenschutz oder die staatlichen Reformen zur Umsatz- und Grundsteuer nennen. Im inhaltlichen Bereich hat die Präventionsarbeit und der Kinder- und Jugendschutz eine größere Bedeutung bekommen.
Es stimmt aber auch, dass die Verhältnisse zwischen BGV und Fläche nicht mehr im Lot sind. Deshalb habe ich ein Projekt zur Reorganisation des Generalvikariats angestoßen, das wir jetzt mit Nachdruck angehen werden. Ich habe immer gesagt, dass sich ebenso wie die Fläche des Bistums auch die Behörde verändern muss.
Tatsächlich sieht das Kostensenkungskonzept für das BGV hohe Einsparungen vor. Eine erste, sehr konkrete Maßnahme, ist ein einjähriger Einstellungsstopp, der nahezu alles außer frei werdenden, systemrelevanten Stellen umfasst. Was sind solche Stellen und von welcher Größenordnung ist hier auszugehen? Wie bleibt das BGV trotz Einsparungen handlungsfähig?
Das Generalvikariat wird künftig stärker als Aufsichts- und Unterstützungsbehörde agieren. Innerhalb des Hauses verändern sich ja jetzt schon Arbeitsabläufe. Ich denke da natürlich an die fortschreitende Digitalisierung, in die wir investieren müssen, die aber langfristig hilft, Kosten zu senken. Ich denke an Abteilungen und Arbeitsbereiche, die sich auf die Bedarfe aus der Fläche einstellen.
Ich habe den Mitarbeiter*innen zugesagt, keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen. Aber natürlich braucht es dann eine Flexibilität unserer Mitarbeitenden, weil sich bei Vielen Stellenprofile, Einsatz- oder Arbeitsorte verändern können. Ein Instrument ist der Einstellungsstopp seit 1. November. Davon ausgenommen sind Stellen, die die wirtschaftliche Existenz von Mitarbeiter*innen sicherstellen, also z.B. in der Lohnabrechnung; Stellen, die die Geschäfts- und Funktionsfähigkeit der Organisation sicherstellen; Stellen, die eine Schlüsselfunktion für die Haushaltssicherung bedeuten, sowie refinanzierte Stellen.
In den kommenden Monaten werden wir die Veränderungen im Generalvikariat auch ansichtig machen. Ich habe eine*n externe*n Berater*in beauftragt, nach den in den letzten Jahren erarbeiteten Überlegungen und Vorgaben in die Umsetzung der BGV-Reorganisation zu gehen.
Mein Ziel ist es, dass wir - bei aller Dezentralisierung - grundsätzlich wieder stärker zusammenrücken, dass uns bewusst wird, dass wir an unterschiedlichen Stellen und mit unterschiedlichen Mitteln am gleichen Auftrag arbeiten. Und dass es nicht mehr heißt “die in Trier” und “die in der Fläche des Bistums”, sondern “wir als Kirche im Bistum Trier”.
Die Fragen stellte Chefredakteur Bruno Sonnen vom Paulinus