(6) Wir leben inmitten einer Gesellschaft, in der die Kirche deutlich spürbar an Bedeutung verliert. Angesichts vieler Skandale und großer Fehler innerhalb der Kirche können wir die Menschen verstehen, die enttäuscht sind und Vertrauen verloren haben. Zu lange hat die Kirche – auch im Bistum Trier – sich mehr mit sich selbst beschäftigt, statt sich zu fragen: Wozu sind wir Kirche? Dabei sind wir davon überzeugt, „dass die Kirche nicht aus sich selbst lebt, sondern daraus, dass Gott selbst sich uns in Jesus Christus mitteilt und diese Mitteilung konkretisiert in seiner Botschaft, in konkreten Feiern, Zeichen und Personen. Die Kirche ist nicht von Menschen ausgedacht, sondern entspringt der Initiative Gottes. Sie geht immer unserem Tun voraus.“[1] Darum ruft die Synode „die Kirche im Bistum Trier heraus, sich in all ihrem Tun von der Verheißung des Reiches Gottes leiten zu lassen[2]“.
Auch heute gilt ja Gottes Zusage, dass sein Reich wächst und in dieser Welt immer mehr Wirklichkeit wird.
(7) Die Bibel spricht vom Reich Gottes in Bildern und Gleichnissen. Es sind Bilder von Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit, von abgewischten Tränen und von Versöhnung. In Jesus Christus ist Gottes Reich unwiderruflich angebrochen; es findet sich mitten in unserer Lebenswelt. Jesus Christus selbst sagt: „Siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch.“ (Lk 17,21)
(8) Jesu Weg war nach menschlichem Verständnis keine Erfolgsgeschichte, sondern eine Leidensgeschichte. Durch das Leiden hindurch hat Jesus den Tod besiegt. So wurde seine Auferstehung zur Hoffnung für die Jüngerinnen und Jünger damals wie für uns heute. Darum sind wir solidarisch mit den Menschen in unseren Lebensräumen, die individuell oder strukturell unter unheilvollen Zuständen leiden. Wir unterstützen alle, die sich für gerechte Lösungen einsetzen. Dabei lassen wir uns vom Vorbild und Beispiel Jesu leiten.
(9) Die Hoffnung auf das Gottesreich befreit und macht lebendig. In uns lebt und wirkt der Geist Gottes. In dieser Kraft und verbunden mit Jesus Christus können wir diese Welt verändern und Rede und Antwort stehen, wenn uns jemand nach der Hoffnung fragt, die uns erfüllt (vgl. 1 Petr 3,15).
(10) Die Synode fordert uns dazu auf, in allem glaubwürdig zu sein. Darum müssen wir uns fragen: „Sind wir, was wir im Zeugnis unserer Hoffnung bekennen?“[3] Diese Frage richtet uns neu aus an Jesus Christus und seiner Frohen Botschaft und an der Lebenswirklichkeit der Menschen. Papst Franziskus sagt: „Wir sind nie genügend auf Gott ausgerichtet und müssen ihm ständig unseren Geist und unser Herz zuwenden.“[4]
(11) Daher fragen wir uns:
- Was bedeutet die Verheißung des Reiches Gottes für uns selbst, für Gemeinschaften, für die Pfarrei, für den Pastoralen Raum und für die Gesellschaft? Wie können wir uns je neu vergewissern? Von welcher Hoffnung lassen wir uns leiten?
- Inwiefern stellen wir die Menschen mit ihren Fragen, Brüchen und Herausforderungen, mit ihrer Sehnsucht und Freude in den Mittelpunkt unseres Handelns?
- Wie können Orte der Begegnung aussehen, an denen auch Fragen und Zweifel ihren Platz haben?
- Von wem oder was lassen wir uns unterbrechen, damit wir uns immer wieder neu an Jesus Christus und seinem Evangelium ausrichten können? Persönlich und in Gemeinschaft? In verschiedenen Formen – zum Beispiel im Gebet, in der Stille, im Teilen der Heiligen Schrift, im Austausch?
[1] So Bischof Dr. Stephan Ackermann am 16. März 2019 in Trier, am 21. März 2019 in Vallendar und am 27. März 2019 in Illingen in seinem Statement zur Pastoral der Zukunft.
[2] heraus gerufen, Kapitel 1: „Die Synode […] ruft die Kirche im Bistum Trier heraus, sich in all ihrem Tun und Wirken von der Verheißung des Reiches Gottes leiten zu lassen (vgl. Mt 6,33). Das Reich Gottes ist in Jesus Christus angebrochen. Es hält die Hoffnung auf eine neue Welt offen. Diese Hoffnung lässt auch die Kirche im Bistum Trier aus sich herausgehen, ruft sie zu einem Suchprozess heraus und ermutigt sie zur Neuorientierung.“
[3] Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland. Beschlüsse der Vollversammlung, Offizielle Gesamtausgabe Bd. I, Freiburg i. Br. 1976, S. 101.
[4] Angelus-Gebet, 18. Februar 2018